Jordanien | Individuell reisen - Aktueller Reiseführer JORDANIEN

Kapitel 6 - Der Norden

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6.1 Jerash - Ajlun - Irbid - Um el Jimal

Karte 6 1

Überblick

Alle folgenden Ausflüge sind so konzipiert, dass man Amman als Standort beibehält und abends in sein Hotel zurückkehrt. Das kann für den stressig werden, der gern mit Muße unterwegs ist. Dann lohnt es sich, nach Irbid umzuziehen und sternförmig von dort auf Erkundung zu gehen. Irbid bietet einen weiteren, vielleicht für manchen auch nicht so bedeutenden Vorteil: Das Universitätsviertel bzw. die Shafiq Arshaydat Straße ist fast kosmopolitisch lebendig.

Sehenswertes

****Jerash (Gerasa), sehr gut erhaltene, sehr beeindruckende römische Ruinenstadt, die viel von ihrer Geschichte und vom römischen Leben vor 2000 Jahren preisgibt, S. 194 im Reiseführer

****Irbid, drittgrößte Stadt Jordaniens, quicklebendig, mit großen Universitäten und interessantem Museum of Jordanian Heritage, S. 211

   **Ajlun mit Burg Qala’at ar Rabad, hoch über dem Ort gelegene mamlukische Festung, guter Ausblick, S. 206

    ***Ajlun Forest Reserve, bewaldetes Naturschutzgebiet mit Wanderwegen, S.  209

      **Umm el Jimal, stark zerstörte, schwarze Ruinenstadt in der Basaltwüste, interessant sind Bautechnik und Wasserversorgung, S. 216

     *Dibbin Forest Reserve, ziemlich dicht bewaldeter Picknick-Park mit Restaurant und Hotel-Bungalows, S. 209

****Jerash (Gerasa) 

Jerash ist gleichbedeutend mit dem antiken Gerasa, einer einst wohlsituierten römischen Provinzstadt, und gleichbedeutend mit einer der Hauptsehenswürdigkeiten Jordaniens. Aus touristischer Sicht folgt es Petra auf Platz 2der Sehenswürdigkeiten. Gerasas historischer Teil ist in einem Zustand erhalten, der die Erwartungen weit übertrifft: Man braucht nicht viel Fantasie, um sich das Leben dieser Stadt vor 2000 Jahren vorzustellen.

Hintergrund: Als Jerash/Gerasa 63 vC vom römischen Feldherrn Pompejus erobert und vom griechischen Namen Antiochia in die ursprüngliche Bezeichnung Gerasa umgetauft und in den Dekapolis-Städtebund eingegliedert wurde, hatte der Ort schon eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich. Ab etwa 6000 vC gibt es Hinweise auf eine Besiedlung, doch erst seit Alexander dem Großen entwickelte sich die Siedlung zu nennenswerter Größe. Zeitweise wurde sie Antiochia Chrysorhoas (Goldfluss) genannt.

Als die Nabatäer ihr Reich auch nach Norden ausdehnten, entwickelte sich Gerasa zwischen 84 und 72 vC zu einem Handelsstützpunkt auf dem Nordabschnitt der Weihrauchstraße nach Damaskus. Unter den Römern wuchs die Siedlung durch die Gründung des Zehn-Städte-Bunds (Dekapolis) und den Erzfunden in den Bergen von Ajlun zu einer wohlhabenden Stadt. Nach dem Muster römischer Städte wurde sie mit der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden, von Kolonnaden gesäumten Achsenstraße (Cardo Maximus) und der rechtwinklig kreuzenden Ost-West-Achse (Decumanus) völlig neu gestaltet. Nur der Zeustempel verblieb aus Pietät an seinem angestammten Platz.

023CE P1130851 Jerash Cardo nach Norden

Der Cardo Maximus. die beeindruckende, mit Kolonnaden gesäumte Hauptstraße von Gerasa

Kennenlernen: Von Amman kommend fällt bereits bei der Anfahrt, links der Straße, der im 2. Jh erbaute und immer noch imposante Triumphbogen für Kaiser Hadrian auf. Kurz zuvor biegt man an einer Ampel links ab und kommt zum neuen Visitor Center. Aller Anschein spricht dafür, dass dieses Center angelegt wurde, um die Besucher zusätzlich zu melken: Wie bei einer deutschen Tankstelle muss man an allen möglichen Auslagen/Shops vorbeimäandern, um sein Ticket zu lösen.

Das dreiteilige Hadrianstor – 129-130 nC “zur Erinnerung an den Besuch des Kaisers errichtet”, wie eine Inschrift an der Nordseite besagt – erreichte einst die stattliche Höhe von 21,5 m (fast neun heutige Stockwerke!) und nahm für seine drei Tore eine Breite von 25 m ein. Der mittlere Bogen öffnet sich mit 6 m Breite und 11 m Höhe, die beiden kleineren seitlichen sind gute 5 m hoch. Die Anlage wurde erst kürzlich aus den herumliegenden Trümmern wieder komplett zusammengesetzt. Zwar ist stets die Rede vom Triumphbogen für Hadrian, tatsächlich ist das Bauwerk zumindest auch als Stadttor konzipiert worden, denn die baulichen Anschlüsse für die Stadtmauer wurden nur verblendet. Vermutlich war geplant, die Stadt bis zu diesem Tor nach Süden zu erweitern, wozu es aber nie kam.

Auf dem Weiterweg folgt das Hippodrom, in dessen Areal ein paar Sitzreihen erhalten blieben. Die 244 m lange Pferderennbahn bot immerhin 15000 Zuschauern Platz, für römische Verhältnisse eine eher kleine Anlage. Hier fanden in den letzten Jahren täglich ziemlich spektakuläre römische Gladiatoren- und Wagenrennen-Vorführungen (Tel 02 634 2471, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.jerashchariots. com) statt. Sie wurden aber (vorübergehend?) wegen zu geringem Touristenaufkommen eingestellt. Der Weg zum Südtor führt am JERASH RESTAURANT UND RESTHOUSE sowie am alten Visitor Center vorbei (gutes Modell von Gerasa). Die eigentliche Besichtigung beginnt mit dem ebenfalls unter Hadrian erbauten und ebenfalls imposanten Südtor. Es ist dem Hadrianstor bis hin auf kleine Details ähnlich, wenn auch nicht ganz so monumental wie das offensichtliche Vorbild. Es wird daher angenommen, dass es die Spende Hadrians an die Stadt war, die ihm einen solch aufwändigen Triumphbogen errichtet hatte.

Das Südtor war eines von insgesamt vier Toren in der 3,5 km langen Stadtmauer, die im 1. Jh nC errichtet wurde. Die Mauer war bis zu 2,5 m breit und wurde auf ihrem Weg um die Stadt von einer Vielzahl quadratischer Türme zusätzlich verstärkt. In der Nähe des Südtors ist noch ein Stück der Stadtmauer erhalten.

MEHR im Reiseführer ab Seite 196 

**Ajlun

3 km westlich der kleinen Stadt Ajlun – in der die zentrale Moschee mit einem vermutlich 600 Jahre alten Minarett einen Blick wert ist – erhebt sich eine Burg auf einem steilen Hügel und dominiert die Umgebung: Qala’at ar Rabad (8-19, Winter 8-17, JD 2; Karten im Visitor Center rechts vor dem Steilanstieg zur Burg).

Hintergrund: Die Burg Qala’at ar Rabad wurde von einem Neffen (und General) Saladins 1184-85 vermutlich auf den Mauern eines christlichen Klosters erbaut, um den Kreuzfahrern im Norden Transjordaniens zu begegnen (1187 schlug Saladin sie denn auch in der Schlacht von Hittin, fast in Sichtweite auf der anderen Jordanseite) und den Eisenerzbergbau um Ajlun zu schützen. Das Fort kontrollierte das Jordantal und drei wichtige Wadis, die hinunter zum Jordan führen. Damals bestand es aus einem angedeuteten Quadrat mit vier zweigeschossigen Türmen in jeder Ecke. 1214 erweiterte Sultan Aybak diesen Kern um weitere zwei Türme und entsprechende Räume im heutigen Eingangsbereich. Bereits 1260 zerstörten Mongolenheere die Burg, aber die Mamluken bauten sie unter Sultan Baibars bald wieder auf. Wegen ihrer exponierten Lage diente sie auch als Nachrichten-Relaisstation für Rauchsignale und Brieftauben. Erstaunlich war die Übertragungsgeschwindigkeit: Nachrichten aus Nordsyrien erreichten die Zentrale in Kairo innerhalb eines Tages. Noch im 17. Jh war eine osmanische Garnison in der Burg stationiert, danach verfiel sie, unterstützt durch die Erdbeben der Jahre 1837 und 1927. In jüngster Vergangenheit wurde die Burg teilweise wieder aufgebaut und gut restauriert.

Ajlun selbst war über viele Jahrhunderte blühendes Zentrum der seit etwa dem 13. Jh ausgebeuteten Erzvorkommen in der Umgebung.

024CE P1130862 Ajlun Saladin Burg Ausblick

Ausblick von Saladins Burg ins grüne Land ("grün" in nahöstlicher Dimension)

Kennenlernen: Seit dem letzten Erdbeben wurden große Teile der Festung restauriert. Man braucht nicht lange für den mit Treppensteigen verbundenen Spaziergang durch die z.T. gut erhaltenen bzw. sorgfältig restaurierten Räume mit ihren Tonnengewölben bis zum höchsten Punkt. Leider fehlt jegliche Erklärung. Dort oben erhält man den schönsten Lohn: den herrlichen Ausblick in alle Himmelsrichtungen. Aber auch auf dem Weg vom Eingang her ergeben sich immer wieder schöne Durch- und Ausblicke.

MEHR im Reiseführer ab Seite 206

Abstecher nach Mar Elias

Hintergrund: Zwischen Istafeena und Wahadna erhebt sich ein 900 m hoher Berg namens Tell Mar Elias, der von alters her mit dem Propheten Elias in Zusammenhang gebracht wurde. Auf dem Gipfel wurden erst 1999 die Grundmauern einer großen byzantinischen Kirche aus dem 6. und 7. Jh mit schönen Mosaiken ausgegraben. 2001 fand man, westlich anschließend, noch eine weitere, wesentlich kleinere Basilika, die vermutlich älter als ihre Nachbarin ist.

025WT P1000499 Mt Elias

Mt. Elias, Taufstelle, Sündenbaum

Verschiedene Funde, Inschriften und Namen in der Umgebung sprechen dafür, dass es sich hier um die Gegend handelt, in der Elias geboren wurde (vom Namen her könnte es das nahe gelegene Dorf Lesteb gewesen sein) und auf dem Berg predigte. Allerdings stammt kein einziger Fund aus dem 9./10. Jh vC, in welchem der Prophet, laut Altem Testament und Koran, lebte. Man hat dennoch die Gunst der christlichen Rückbesinnung auch auf Jordanien genutzt und die Grundmauern der byzantinischen Basilika mit den erhaltenen Mosaiken sorgfältig restauriert. Jetzt reiht sich der Berg durchaus mit Würde in die christlichen Pilgerstätten ein.

Kennenlernen: Man betritt zunächst einen halbrunden Platz, unter dem eine Zisterne aus Zuläufen vom Platz Wasser aufnimmt. Ein paar Stufen führen weiter hinauf zu den Grundmauern der großen Basilika, zwischen denen auch noch einige durchaus schöne Mosaike erhalten sind. Daneben sind die Grundmauern der kleinen Kirche zu erkennen.

MEHR im Reiseführer ab Seite 208

Abstecher zur

Ajlun Forest Reserve

Hier wurde in den relativ einsamen Bergen im Gebiet von Estafeena (auch Istafena) ein Naturpark geschaffen. Der Name Ajlun Forest Reserve hat sich gegenüber anderen Bezeichnungen (z.B. Zubia Nature Reserve) durchgesetzt... 

Es handelt sich um ein etwa 13 qkm großes, landschaftlich sehr reizvolles Gebiet, das sich erst in den letzten Jahren zu einem beliebten Wandergebiet entwickelte. Mit seinen Eichen, Pinien und Pistazienbäumen hinterlässt es einen fast mediterranen Eindruck. Wer Glück hat, kann in der wildreichen Gegend, in der verschiedene Wolfsarten, Schakale, Füchse und Greifvögel heimisch sind, Tiere beobachten. Im Winter kann es kalt werden, 2007/08 lagen hier für einige Tage 90 cm Schnee.

026WT P1000101 Ajlun forest

Ajlun Forest Reserve (Ausschnitt)

Ein wichtiges Anliegen der RSCN ist es, möglichst viele Bewohner in ihre Projekte einzubeziehen. So wurden hier drei Handwerkshäuser der etwas weiteren Umgebung in das Parkgeschehen integriert. Im Soap House stellen Frauen mit Ingredienzien ihres Dorfes Orjan hochwertige Olivenseife her, im Biscuit House werden jordanische süße Spezialitäten produziert und im hauseigenen Café angeboten. Die Frauen im House of Calligraphy widmen sich der arabischen Schreibkunst und offerieren z.B. ungewöhnliche kalligrafische Souvenirs.

Es werden verschiedene geführte und z.T. mit Eseln als Tragetiere begleitete Wanderungen von unterschiedlicher Dauer im Reservat angeboten; die Preise beginnen bei JD 10 pP; für eine geführte Tour sind mindestens vier Teilnehmer erforderlich. Derzeit stehen sieben Wanderungen unterschiedlicher Länge und mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Programm.

Sehr idyllisch kommt man hier am Waldesrand mitten in der Natur in Bungalows (Cabin) mit Bad, kleiner Terrasse und unterschiedlichem Komfort unter. Vorabbuchung wird empfohlen.

Zurück zur Hauptstraße und weiter nach

***Irbid

Hintergrund: Das heutige Irbid – unter den Römern Arbela – lässt sich bis in die Bronzezeit belegen, doch nicht viel ist von der langen Geschichte innerhalb der Stadtmauern übrig geblieben. Erst in den letzten hundert Jahren wuchs die zweitgrößte Stadt des Landes aus einem Flecken von ca. 700 Einwohnern zur heutigen Größe mit etwa 500 000 Einwohnern.

Reste einer frühbronzezeitlichen Siedlung (ca. 3400-2250 vC) namens Hirbet es Zeraqon wurden 10 km nordöstlich von Irbid, von Professor Mittmann vom Evangelisch-Theologischen Seminar der Universität Tübingen, ausgegraben. Es handelt sich um eine 7 Hektar große, befestigte Stadtanlage auf und um einen Hügel, deren Oberstadt einen Tempel und einen Palast aufwies. Interessant ist auch, dass bereits zu jener Zeit ein bis zu 60 m tief liegendes Tunnelsystem gegraben wurde, das vermutlich der Wasserversorgung in Kriegszeiten diente.

027WT P1000556 Irbid Blick auf University Str

Universitätsgelände (Ausschnitt, hinter dem Minarett), rechts Beginn der Shafiq Arshaydat Street

Kennenlernen: Die Großstadt Irbid (hier eher Erbed ausgesprochen) ist sicher für Jordanier berauschend groß, dem Fremden dient sie hauptsächlich als Ausgangspunkt für Unternehmungen in die Umgebung.

Wenn man durch das Zentrum bummelt, gewinnt man den Eindruck einer äußerst lebendigen und “wohlgeordneten” Stadt. Es wimmelt von Menschen und Autos, die vergeblich nach einem Parkplatz suchen. Die Straßen hängen voller Reklameschilder, ein Shop reiht sich an den anderen. Dieses Zentrum breitet sich um die Gegend Al Malek al Hussein St und die querende Al Malek al Abdullah II St aus; es stirbt auch abends nicht aus, sondern ist lange mit quirligem Leben erfüllt. In der Gegend um die Hashemi St bieten viele kleinere Shops ihre Waren an. Sie bilden hier eine Art Souk, u.a. auch für Obst und Gemüse.

Nördlich der Al Hashemi St liegt um den Tell Irbid der historische Teil der Stadt. Ein Stück der eisenzeitlichen Stadtmauer ist sogar auf dem Tell noch sichtbar, eine der höchsten Erhebungen Irbids. Aus osmanischer Zeit blieb das Gouverneursgebäude auf dem Hügel erhalten, das in jüngster Vergangenheit als Polizeistation und Gefängnis diente. Jetzt beherbergt es das sehr sehenswerte As Saraya Museum, Al Baladia St, (Sa-Do 8-16; freitags kann zumindest der stimmungsvolle Innenhof besichtigt werden). Es spannt einen weiten Bogen von der Frühgeschichte bis in die heutige Zeit.

Ziemlich weit im Süden liegen die Yarmuk Universität, die öffentlich durch ihre Studentenunruhen 1986 und 1989 auffiel, und 10-15 km Richtung Ramtha die Technische Universität; beide zählen zu den Top-Hochschulen des Landes. Heute scheinen sich die Studenten mehr mit Computern und Internet als mit Revolution zu beschäftigen, wie ehemals die vielen Internetcafés in der Shafiq Arshaydat St zeigten, heute sind es diverse Computerläden. Abends beginnt hier das Flanierleben. Über eine kurze Meile drängen sich die Menschen, reiht sich ein Restaurant ans andere, dazwischen ein paar Shops und die Computershops. Man fühlt sich fast in die USA versetzt, zumal sich viele der jungen Leute gut englisch verständigen können. Es macht Spaß, hier zu bummeln.
MEHR im Reiseführer ab Seite 212

Abstecher nach

**Umm el Jimal

Hintergrund: Die wasserarme, schwarze Basaltwüste, in die wir uns begeben haben, gehört zum sogenannten Hauran, einem Gebiet, dessen Zentrum der über 1700 m hohe Jebel Hauran (auch Jebel ed Druze oder al Arab) im unweit entfernten Syrien ist. Die ziemlich trostlose Gegend interessierte niemanden so richtig, bis die Nabatäer auch sie unter ihre Fittiche nahmen. Ihnen war zunächst einmal wichtig, ihre Karawanenwege zu sichern, zusätzlich aber auch das Land zu nutzen. Die Römer funktionierten die Siedlungen in Wehrdörfer um, die in der islamischen Epoche zum Teil wieder verlassen wurden. Heute haben sich große Gebiete des Hauran in neu geschaffene, fruchtbare Zonen verwandelt, die zudem ziemlich dicht besiedelt sind.

Die ehemalige Wüsten- und heutige Ruinenstadt Umm el Jimal hat diese Wandlung mitgemacht. Auf dem Weg sieht man sehr viel, eigentlich unerwartetes Grün. Im 1. Jh vC von den Nabatäern gegründet, ging die Siedlung im 2. Jh nC in römische Hände über. Aus dieser Zeit stammen praktisch alle Bauwerke und die ausgeklügelte Wasserversorgung. Denn es galt, das Regenwasser des Winters aufzufangen und zu sammeln. Hier regnet es immerhin so häufig, dass schließlich eine Stadt mit etwa 5000 Einwohnern von den dennoch seltenen Regenfällen leben konnte.

Der Ort wurde wegen seines „Wasserreichtums“ bald eine Karawanenstation an der Karawanenstraße von Damaskus nach Süden sowie der aus dem heutigen Irak kommenden Karawanenstraße; daher stammt auch der heutige Name Umm el-Jimal (Mutter der Kamele). In byzantinischer Zeit blühte die Siedlung auf, damals wurden fünfzehn Kirchen gebaut. Auch die Omayaden nutzten den Ort weiterhin.

Das Erdbeben von 747 richtete so schwere Schäden an, dass die Stadt aufgegeben werden musste. Cyril Graham entdeckte sie 1857 für die Historiker wieder. Nach dem Ersten Weltkrieg siedelten sich in der Umgebung Drusen an, die Syrien wegen ihrer Gegnerschaft zur Kolonialmacht Frankreich verlassen mussten.

Umm el Jimal ist eins der hervorragenden Beispiele für Kragsteinbau. Aus Mangel an Holz mussten die Baumeister andere Methoden heranziehen, um Decken in die Häuser zu ziehen. Dazu wurden etwa 3 m lange Basalt-„Stangen“ oder -Platten so in der Mauer verankert, dass sie in den abzudeckenden Raum hineinragten. Nun konnten sie mit Steinplatten überdeckt werden, um Decke bzw. Fußboden für das zweite Stockwerk zu bilden. Manchmal trugen sie sogar noch ein drittes Stockwerk, größere Zwischenräume mussten allerdings mit Bögen unterstützt werden. Die Basaltplatten waren so eben, dass sie häufig auch als Türblätter benutzt werden konnten. Im Wüstenschloss von Azraq lässt sich diese Bauweise ebenfalls studieren.

028WT IMG 5110 Um el Jimal

Trümmerlandschaft von Umm el Jimal

MEHR im Reiseführer ab Seite 217

Syrische Flüchtlingstadt Zaatari

 

 

In fast unmittelbarer Nähe von Umm el Jimal dehnt sich – aus der Luft betrachtet – eine riesige weiß gesprenkelte Fläche aus, unterbrochen von wenigen Asphalt- und vielen Sandstraßen: zwölf Quadratkilometer vorgefertigte Unterkünfte und Wohncontainer. Es handelt sich um Zaatari, das laut UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) zweitgrößte Flüchtlingslager im Nahen Osten. Hier harren über 80 000 Menschen (2015, Zahlenangaben schwanken) in der Hoffnung aus, dass sie so bald wie möglich in ihre von Trümmern übersäte syrische Heimat zurückkehren können. Seit Eröffnung des Camps Mitte 2012 ist die Einwohnerzahl explosionsartig so hochgeschnellt, dass Zaatari bereits ein Jahr später zu den großen Städten Jordaniens zählt.

029WT P1000612 Zatary FluechtlingscampWenn man den kleinlichen Streit in Europa über die Aufnahme von ein paar Tausend Flüchtlingen betrachtet, kann man die Leistung der Jordanier nicht hoch genug schätzen, fast zehn Prozent der eignen Einwohnerzahl zusätzlich als Flüchtlinge aufgenommen zu haben – selbst unter dem Aspekt, dass auch die 60 Prozent Palästinenser einst als Flüchtlinge ins Land kamen und man daher auf geübte Mechanismen zurückgreifen kann. Die Welt hat allerdings Jordanien nicht allein gelassen, finanzielle und materielle Hilfe kam und kommt aus vielen Quellen.

Doch die Aufnahme von insgesamt mehr als 640 000 Menschen, von denen viele in den jordanischen Städten und in weiteren Lagern leben, geht nicht ohne Spannungen aus. Die Wasserversorgung vom Zaatari Camp z.B. wird durch Tiefbrunnen gesichert, die den Flüchtlingen 50 Liter pP und Tag zugestehen. Die einheimische Bevölkerung in dieser ausgesprochen trockenen Gegend kommt aber vielerorts nur auf 30 Liter pP/Tag. Der Grundwasserspiegel sinkt ständig, viele Brunnnen versiegen oder müssen nachgebohrt werden.

Die nicht in den Camps lebenden Flüchtlinge drängen in den meisten Fällen illegal auf den Arbeitsmarkt und führen durch ihre Billiglöhne zu Verwerfungen des Lohngefüges. Zwar erleichterte Mitte 2016 die jordanische Regierung den legalen Zugang zum Arbeitsmarkt für syrische Flüchtlinge, damit können knapp 100 000 einfache Jobs finden. Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die meisten Flüchtlinge brauchten ihre Ersparnisse auf und sind auf Hilfe bitter angewiesen – laut UNHCR leben 90% unter der jordanischen Armutsgrenze von 87 US$ pP pro Monat - siehe dazu "Preisbeispiele" S. 76.

MEHR im Reiseführer ab Seite 218